Hoch und Soloflieger Teil 2

Danziger und Stralsunder Hochflieger

Quelle: Schweizerische Blätter für Ornithologie
Zürich den 14. Dezember 1894. Verfasser, Ferd. Wirth, Zug

Eine abweichende Art von Fliegern sind die Truppflieger. Diese sind nun allerdings auch Hochflieger, nur mit dem Unterschied, dass sie nicht einzeln aufsteigen, sondern immer in Gesellschaft von 10 bis 16 u. f. w. Im Hoch und Dauerflug mögen sie mitunter ähnliche Leistung wie die Soloflieger, ihre Dressur ist eine viel leichtere. Die vorzüglichsten Truppen-flieger sind die.....

Danziger Wolkenstecher

stets eine Muschelhaube tragend. Die ursprüngliche Heimat aller dieser Flieger ist wohl im Orient zu suchen, dem Land per excellence für Taubenkultur; von dort werden sie per Schiff nach Europa gekommen sein. Der Danziger Flieger zunächst soll aus Frankreich stammen, wo dieser Sport in hoher Blüte stehe und wo auch Tauben sich vorfinden, die den Danziger Truppenflieger ähnlich sind; auch sollen heuzutage noch Liebhaber Hochflieger aus Frankreich besitzen.

Der Danziger Hochflieger ist auch als Königsberger Hoch oder Dauerflieger oder Elbinger Hochflieger bekannt, in Ostpreussen zu finden. Dieser Sport hat sich dort sehr eingelebt und wird noch mit Vorliebe betrieben, bieten ja doch diese beschwingte Hausfreunde manche Stunde angenehmer Unter-haltung. Ein solcher Sport wird nie langweilig, immer gibt er den Geist an-genehme Beschäftigung und die Kosten sind unbedeutend.

Wir haben bereits gesagt, dass der Danziger Hochflieger den Hannoveraner Soloflieger, was Hoch und Dauerflug anbelangt, gleichkommen mögen, hingegen nicht in der selbstbewussten Eleganz im Aufflug, dem Hochflug und im Abflug. Das geht aus der Natur der Sache hervor, denn der Trupp-flieger fliegt scharenweise und muss sein Flug nach andern richten, entweder geschlossen oder einer hinter dem andern. Auch bei den Truppen-flieger ist alles Spielen, Umwerfend und Schwenkungen fehlerhaft. Nachtflieger, welche die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang in unermesslicher Höhe herumschweifen, kommen auch vor. Dazu gehört selbstverständlich günstiges, heiteres Wetter. So etwas geschieht leicht, wenn man die Tauben erst abends späht fliegen lässt. Auffallend ist, dass bei diesen Nachtflügen im Verhältnis wenig Tauben verloren gehen, was wohl daher kommt, dass bei Nacht keine Raubvögel fliegen und der Abflug nicht in dunkler Nacht geschieht. Wenn der Flug der Soloflieger eigenartig und erhaben ist, so verlangt auch ein Trupp von 14 - 20 Stück Truppenfliegern unsere Bewunderung, wenn sie hoch im Himmelsblau stundenlang dahin-ziehen oder nachts bei Mondschein als beleuchtete Punkte da ihre Kreise ziehen. Es ist immerhin ratsam, solche Flieger nur in hellen, warmen Som-mernächte fliegen zu lassen, damit sie sich nicht verfliegen, was auffallenderweise jedoch wenig geschieht.

Wie schon bemerkt, kann man auch die Truppenflieger nicht nach Belieben ausfliegen lassen, sondern behält sie im Schlag. Die Dressur ist sehr leicht bei richtiger Rasse und erfordert wenig Mühe. Die Tauben warten mit Ungeduld die Stunde der Freilassung und erheben sich auch ungejagt in geschlossenem Flug in schönen Spiralen zum blauen Himmel empor. Es empfiehlt sich, die Jungen eigens für sich zu dressieren, denn, wenn sie die anstrengenden, langen Flüge der Alten mitmachen, so kann es leicht ge-schehen, dass sie sich verirren und verloren gehen.

Das Temperament der Danziger Hochflieger ist ein ungestümes, heftiges. Es hält auch ungemein schwer, solche alte Flieger an einen neuen Schlag zu gewöhnen; sie irren oft mehrere Tage in den höchsten Regionen umher, bevor sie dann den neuen Schlag aufsuchen, wenn es überhaupt noch geschieht; darum tut man gut, junge Tiere anzuschaffen. In der Zucht ist der Danziger Hochflieger sehr gut.

Vom Kleide dieser Taube ist nicht viel zu sagen, man trifft dasselbe in allen möglichen Farben und Schattierungen; die Farbe ist ganz Nebensache, man züchtet nur auf Flugfertigkeit und Ausdauer. Etwas haben aber alle Danziger gemein, eine hohe und schön angesetzte Muschelhaube, die in dichter tadelloser Art von einem Ohr zum anderen geht. Der lange Kopf ist lang und schmal; das Auge perlfarbig, oder in verschiedenen Färbungen. Es gibt z. B. nach der Farbe des Gefieders dunkel und helle Marmoraugen, milchweiss und blaue Augen. Eine bläulich weisse Augen-rand, möglichst gross und glatt, soll das Auge umgeben. Rote oder gelbe werden nicht prämiert. Die Färbung des Schnabels ist bei weissen, rot und gelbe Tiere weiss, bei andern Farbigen mit einem dunklen Schnabel. Der schmale Kopf geht in einen schlanken, mitellangen Hals über. Die Brust ist kräftig und angemessen breit. Die starken langen Flügel werden meistens unter dem Schwanz getragen. Das ganze Äussere muss lang und schmal erscheinen,auf unbefiederten, schönen roten Füssen. Der Schwanz ist lang und besteht aus 16 - 20 breiten Federn, von denen oft zwei aus einem Kiele wachsen; überhaupt mahnt der Schwanz an den einer Pfautaube, nur dass er flach, anstatt hoch getragen wird. Das Gefieder ist reichlich und liegt fest an.

Die gewöhnliche Flugzeit der Danziger wird auf 2 - 4 Stunden angegeben, doch sollen Fälle vorkommen, welche das Doppelte dieser Zeit betragen. Von den Raubvögel haben sie wenig zu leiden, denn zeigt sich auch ein solcher, so steigt man in solche enorme Höhe hinauf, dass der Habicht es für gut findet, wieder umzukehren. Noch ein berühmter Hochflieger ist zu erwähnen; es ist der...

Stralsunder Hochflieger

Der Windhund unter den Tauben. Der Schlanke, wilde Geselle Stralsunder. Dieser Flieger rivalisiert mit dem Danziger und ist immerhin der Beste in Pommern, doch wird seine Zucht nicht mehr wie ehedem und wie jetzt noch diejenige des Danzigers. Der Stralsunder Hochflieger ist reinweiss mit einigesprengten schwarzen Federchen, die Jungen sind sogar gescheckt. Er besitzt eine schneidige, elegante Figur, welcher deutlich die Gewandtheit und Schnelligkeit des Fluges kennzeichnet. Der Körper ist lang und gestreckt, Füsse unbefiederten und hochgestellt. Die Flügel erreichen das Schwanzende und liegen lose auf, gleichwie um jeden Augenblick bereit zu sein, sich schnell aufzuschwingen. Der Schnabel ist von der gleichen Länge wie bei den Farbentauben, aber fester. Er bildet mit dem Scheitel eine gerade Linie, und zeichnet sich aus durch die hellrote Nasenhaut, besonders in jüngeren Jahren. Die feurigen Augen sind entweder schwarz oder Tümmlerfarbig.

Dem Stralsunder Tümmler kann ein Habicht nicht so leicht etwas anhaben, denn diesem rasenden Flug mit blitzschnellen Schwenkungen, denen ein Auge kaum zu folgen vermag, folgt kein Habicht, wohl aber kann er die Tauben so hoch steigen machen, dass sie sich verfliegen. Bei günstigem Wetter machen diese Tauben so blitzartige, kühne Schwenkungen, dass man es für unmöglich halten könnte; ihr wilder Übermut geht über alle Begriffe.

Wir besassen einst einen Flug - Stralsunder, der uns und anderen viel Vergnügen machte. Sie flogen bei uns immer frei aus und ein, waren auch keiner Dressur unterworfen, schwangen sich dennoch von ihrem hochgelegenen Schlag vormittags und nachmittags für je eine Halbe oder ganze Stunde in schönen Spiralen in die Höhe, um da truppweise zu kreisen.

Als wir dann unsere Wohnsitz nach Zug verlegten, wo die Tauben auf dem Hof gefüttert wurden, hörten diese Flugübungen ganz auf; sie sassen auf dem Dach, schauten in den Hof hinunter und wollten sich nicht mehr erheben.

Der Bericht wurde von der Sütterlinschrift in die lateinische Schrift umgeschrieben.

 

Walter Stettler CH Binningen www.flugtippler.ch                                      

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