Besuch bei den Tipplerzüchtern im KOSOVO (in der Stadt Prizren)
Es ist Donnerstag der 05.05.2011. Mein Freund (Lulzim Ibishi) und ich stehen am Gate 7 am EuroAirport Basel-Mulhouse Der Flug nach Prestina um 6.20 Uhr wird angezeigt. Aber ich muss noch ein wenig zurückblenden, wie es zu dem Besuch im Kosovo gekommen ist.
Im Jahr 2007 habe ich einem CH-Kosovar 2 Paar Tippler verkauft.Diese 4 Tauben gingen in den Kosovo zum Tipplerzüchter Manush
Bakaj. 2 Jahre später erfuhr ich, dass die Jungen von meinen Tipplern im Kosovo über 19 Stunden geflogen sind. Etwas später
lernte ich Lulizim (Luli) kennen, der mit seiner Familie im Berner Oberland wohnt und auch ein fanatischer Tipplerzüchter ist.
Ursprünglich stammt er aus der Stadt Prizren. In einem Gesprächteilte er mir mit, dass er demnächst für einige Tage seine alte
Heimat besuchen würde um Tipplerzüchter zu treffen. Ich fragte ihn, ob ich mitkommen könne und er war einverstanden. Eine solche
Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Zurück zum 05.05.2011. Um 8.30 Uhr landeten wir in Pristina. Die Fahrt mit dem Taxi nach Prizren dauerte ca. 1 Stunde. Die Stadt hat (2006) 171464 Einwohner auf einer Fläche von 640 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Berlin hat 891 Quadratkilometer.
Die Stadt Prizren.
Tippler im Kosovo
Die ersten Tippler wurden 1981 von Xhemal Zejnnullahi in den Kosovo eingeführt. Es waren 2 Paare und stammten von Heinz
Schüller aus Dorsten(D). Die kosovarischen Taubenzüchter waren den neuen Tauben gegenüber sehr skeptisch und sie glaubten auch
nicht, dass die Tippler so lange fliegen können. So wurden die Flüge der Tippler genau beobachtet und es bestätigte sich, dass die
neuen Tauben die reinsten "Flugmaschinen" waren. Bis dahin kannte man nur die "Serbischen Hochflieger". Heute gibt es fast
keine SH mehr im Kosovo, der Tippler hat ihren Platz eingenommen. 1996 wurde der erste Tippler-Club gegründet und inzwischen gibt es
alleine in Prizren 7 verschiedene Tippler-Clubs mit insgesamt 86 Mitgliedern. Und da beteiligt sich jeder an den Wettflügen!!! Man
rechnet sogar mit noch mal so vielen unorganisierten Tipplerzüchtern. Der ebenfalls vorhandene Dachverband heißt "Unuon Tippler Kosovo" (UTK) und hat seine eigenen Ringe.
Tipplerzüchter in Prizren
Einige Tipplerzüchter von Prizren.
v.l.n.r. Shkrtaku, Manush Bakaj, Luli, Verfasser, ?, Rexhep, Shkrtaku, Sohn v.
Shkrtaku, Kujtim, Lubiqeva, ?
Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass 2 Tipplerzüchter aus der Schweiz in der Stadt seien und so hatten wir bald ein volles Programm. Wir haben 9 Züchter besucht und wurden überall herzlich empfangen und bewirtet. Die Taubenschläge waren sehr verschieden und den jeweiligen Gegebenheiten angepasst. Die meisten standen auf Dachböden, es gab nur wenige Gartenschläge. Fast jeder Züchter hatte einige Tippler die aus England, Holland,
Deutschland oder der Schweiz stammten. Die Dropper die sie hatten, waren meistens eigene Rassen. Beim Droppern wurden
immer viele Dropper eingesetzt (10-15 Stück), was sich natürlich positiv auf das Landen der Tippler auswirkte. Bis auf einen Züchter,
hatten alle weisse Dropper. Dieser eine, züchtet Dropper die nur weiße Köpfe und Schwungfedern haben und zwar aus folgendem
Grund: Im Kosovo gibt es sehr viele Taubenzüchter, aber viele haben Tauben einfach zur Freude ohne dass mit ihnen groß
geflogen wird. Diese Tauben sind fast immer weiß. Trainiert nun ein Tipplerzüchter seine Tauben oder nimmt mit ihnen an einem
Wettflug teil und zur gleichen Zeit spielt ein Nachbar mit seinen weißen Tauben, so könnten die Tippler dass als Aufforderung zur
Landung ansehen. Um diesem Missverständnis entgegenzutreten, hat der Züchter diese speziell gezeichneten Dropper zur Verfügung.
Ich war sehr beeindruckt, wie die Züchter ihre Tauben im Griff haben. Als wir bei Kujtim Lubiqeva waren, kamen wir auf das
Droppern zu sprechen. Er meinte, seine Tauben innerhalb von 10 Minuten im Schlag zu haben, wir sollten ihm einfach sagen wann er
droppern solle. Wir diskutierten weiter über die Tippler und nach ca. 30 Minuten sagte Luli, er solle jetzt droppern. Alle sahen auf die Uhr und nach 8 Minuten flog der letzte von 5 Tipplern in den Schlag. Sie waren alle etwas länger als eine Stunde geflogen und beim
Droppern sehr hoch. Alle Achtung vor dieser Leistung! Sehr eindrücklich für mich war auch, dass man jeden Tag ab Mittag
immer verschiedene Tipplergruppen fliegen sah. Die Stiche bestanden aus 3 bis 15 Tauben und schlossen sich nie zu einer Gruppe zusammen. Jeder Stich flog für sich.
Das Futter
Es war sehr verschieden, es richtete sich einfach nach dem
Geldbeutel des Züchters. Man darf nicht vergessen, dass die Arbeitslosigkeit im Kosovo zur Zeit sehr hoch ist. Da gab es Futter,
das nur aus Mais und Weizen bestand, aber auch solches das die ganze Futterpalette der großen Futterfirmen aus Deutschland und
Belgien enthielt, samt ihrer Zusatzprodukte. In der Trainingszeit wird sehr oft Superdiät gefüttert, pro Taube 2 Kaffeelöffel voll. Das Aufbaufutter für die Wettflüge war kein Thema.
Mir ist auch noch aufgefallen, dass in vielen Schlägen Diplome von der DFU hingen.
Wettflüge
Die UTK hat ein eigenes Wettflugreglement, das in vielen
Paragraphen von dem englischen abweicht. Wenn die Dämmerung
einsetzt, dürfen die Züchter den Landeplatz beleuchten. Während
des Wettflugs darf der Teilnehmer nicht näher als 10 m an seinen
Schlag heran, andernfalls wird er disqualifiziert. So oft ein Züchter
an einem Wettflug teilnehmen möchte, so oft muss er auch als
Schiedsrichter fungieren. Wer bei wem Schiedsrichter ist bestimmt
der Club. Der Teilnehmer erfährt das erst am Morgen vor dem
Wettflug, nämlich dann wenn der Schiedsrichter vor der Tür steht.
Nach Aussagen von Züchtern sollen sich bis zu einhundert
interessierte Personen bei einem Wettflugteilnehmer versammeln.
Dass da kein Betrug möglich ist, versteht sich von selbst. Was mich
sehr überraschte war ihre skeptische Einstellung den Wettflug-
resultaten der DFU gegenüber. Sie waren sehr gut darüber
informiert, wie in der DFU betrogen wurde.
Am 07.05.2011 hatte der Züchter Sahrim Xhaferi im Nachbardorf
Lubixhda einen Wettflug. Aus zeitlichen Gründen konnten wir ihn nur
kurz besuchen. Es waren über 10 Personen anwesend und
beobachteten die 3 Tauben, die seit dem Morgen ihre Runden über
den Schlag drehten. Sein Ziel war es, dass sie die 16 Stundenmarke
überfliegen werden. Aber leider verschwand nach 15 Stunden eine
Taube und so wurde er disqualifiziert. Schade, die Tauben hatten
einen durchaus fitten Eindruck gemacht. Sahrim beklagte sich, dass
der Uhu oft auf dem Scheunendach säße, warten würde bis die
Tippler landen wollen um dann zuschlagen zu können. Leider konnte
er uns seine Tippler nicht zeigen, da er ja während des Wettflugs
nicht näher als 10 m an seinen Schlag durfte.
Züchtertreffen bei Rexhep Shkrtaku, v.l.n.r. Luli, Manusch Bakaj, Verfasser,
Rexhep Shkrtaku
Züchtertreffen
Es ist auch üblich, dass sich die Tipplerzüchter sich am Abend bei
einem Züchter treffen der seine Tauben fliegen lässt. Dadurch wird
das Warten auf das Droppern nicht so langweilig. Die Tauben
werden so zwischen 12 und 13 Uhr gestartet und meistens wird um
22.30 Uhr gedroppert. So haben sie fast jeden Abend ein Züchter-
treffen, was bei uns unvorstellbar ist. Das Treffen bei Rexhep
Shkrtaku ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Wir trafen gegen
20 Uhr bei ihm ein. Sein Landeplatz war ca. 40m2 groß und von
Wohnhäusern umgeben, die teilweise bis zu 4 Stockwerke hoch
waren. Tisch, Stühle und die Verpflegung waren schon bereit ge-
stellt. Rexhep hatte die Scheinwerfer (7 Stück) bereits eingeschaltet
und so war der Landeplatz für die Tippler gut sichtbar. Das
Fünferteam war um 12.00 Uhr gestartet. Sie flogen in unterer Höhe
und waren gut sichtbar. Je später der Abend desto mehr Züchter
fanden sich ein und jedes Mal, wenn ein neuer kam, wurde wieder
angestoßen. Beim ersten Mal rief ich "Prost" in die Runde und alle
sahen mich fragend an. "Prost" bedeutet in ihrer Sprache "Bastard",
das war nicht gerade schmeichelhaft. Den Irrtum klärte dann Luli auf
und alle lachten. Es war eine lockere Runde, man lachte und redete
viel. Das Wort, das am meisten fiel war "Pellumb" und das heißt
nichts anderes als "Taube". Ist doch logisch, oder nicht? Es war
22.20 Uhr als Rexhep das Droppern vorbereitete. Die 5 Tippler
überflogen den Landeplatz, als auf einmal alle Anwesenden zu
schreien begannen. Was war passiert? Ich traute meinen Augen
nicht: Einige Meter hinter den Tipplern näherte sich mit ruhigen
Flügelschlägen ein Uhu (Bubo bubo). Er hatte das Team eingeholt
und stieß zu, die Federn flogen aber die Taube entwischte ihm.
Nach kurzer Zeit flogen 4 Tippler wieder über den Landeplatz, der
Uhu folgte ihnen, stieß zum zweiten Mal zu und erwischte einen
Tippler. Nun war die gelassene Stimmung vorbei und die Emotionen
gingen hoch. Der Besitzer des Teams war sehr frustriert und meinte,
am Tag kommt der Wanderfalke und in der Nacht der Uhu. Das ist
doch wirklich....! Dies war der vierte Abend in Folge, dass der Uhu
eine Taube holte und immer bei einem anderen Züchter. Sie
diskutierten nun darüber, wie sie weiter vorgehen sollten. Die
Züchter im Kosovo haben einen großen Vorteil. Meines Wissens gibt
es dort keine Vogelschützer und das ist doch auch was. Ich bin
sicher, dass sie eine gute Lösung gefunden haben. Der Uhuangriff
war für mich aus mehreren Gründen sehr eindrücklich. Erstens:
Hätte ich es nie für möglich gehalten dass der Uhu eine Taube
fangen würde. Man hatte mir das zwar schon erzählt, aber so richtig
geglaubt habe ich es nie. Zweitens: Dieser Angriff verlief ganz ruhig,
kein Durcheinander und keine Hektik wie beim Angriff eines
Wanderfalken. Wahrscheinlich hörten die Tippler ihren Verfolger gar
nicht, da die nächtlichen Raubvögel eine spezielle Federstruktur
haben, die sie geräuschlos fliegen lässt. Auch seine Tarnfärbung
macht ihn visuell schwer ausmachbar. Früher wünschte ich mir,
dass auch bei uns die Uhus etwas häufiger wären, da sie ja die
einzigen Feinde des Wanderfalken sind. Aber nachdem was ich jetzt
im Kosovo erlebt habe, hoffe ich nun dass sie sich doch nicht so
sehr verbreiten bei uns. Als ich wieder zu Hause war, fand ich bei
einem Spaziergang die Schwungfeder eines Uhus. (Das ist kein
Witz!!
Züchtertreffen bei Manusch Bakaj v.l.n.r. Manusch, Verfasser, ?, Kujtim Lubiqeva
Deutsche KFOR-Soldaten
Die Taubenzüchter erzählten uns, dass sie immer wieder Raubvögel
mit deutschen Fußringen finden würden. Ihrer Meinung nach werden
diese Raubvögel von den deutschen KFOR-Soldaten ausgesetzt. Es
war mir nicht möglich, diese Behauptung zu überprüfen.
Fazit
Es war für mich eine sehr eindrückliche und unvergessliche Reise.
Es ist mir ein Bedürfnis, mich nochmals bei allen besuchten
Tipplerzüchtern für ihre Gastfreundschaft sehr herzlich zu bedanken.
Besonderer Dank geht natürlich an "Luli", denn ohne ihn wäre es
mir gar nicht möglich gewesen diese Reise durchzuführen. DANKE!
Verfasser und Luli
Walter Stettler CH Binningen www.flugtippler.ch
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