DER ORIENTALISCHE ROLLER VOR 125 JAHRE UND HEUTE. Der orientalische Roller – Tümmler Von Ferd. Wirth in Zug. Quelle: Schweizerische Blätter für Ornithologie. Zürich den 12. Juli 1891. Man kann wohl sagen, die Taubenzucht sei so alt als das Menschengeschlecht. Das bringt das Naturell der Taube mit sich. Wie kein anderer Flugvogel eignet sich die Taube dazu, dem Menschen dienstbar zu sein; ihre treue Anhänglich-keit an die gewohnte, wenn auch noch so bescheidene Wohnung, ihre leichte Ernährung, so wie ihr sanftes, bescheidenes Wesen, verbunden mit grosser Flugfertigkeit, mussten sie stets zum Liebling des Menschen machen. So findet man dann auch in der Kulturgeschichte der ältesten Völker die Taube als Haus-genossin des Menschen vor. Es ist das namentlich Asien, das, wie man annimmt, Entstehungsstätte des Menschengeschlechtes ist, wo die Tauben in hohen Ansehen stund; das gleiche Asien, das uns auch das unschätzbare Haushuhn lieferte. Kein Volk eignete sich auch besser als der beschauliche Orientale zur Pflege und Dressur der Tauben. Diese Dressur muss ein so hohen Grad erreicht haben, dass wir kaum einen Begriff davon haben. Richtig ist, dass man in Arabien und anderen Staaten die zum regelmässigen Brief = Postdienst abrichtete, d. h. für gewisse Strecken, was jetzt noch vereinzelt vorkommen soll. Verheerende Kriege ver-nichteten dann wieder die Errungenschaft der Kultur. Was bei uns erst im Keime liegt, nämlich die Abrichtung der Tauben zu deren Hin und Herfliegen, war dort schon zur praktischen, staatlichen Anwendung gekommen. Diese Er-rungenschaft wurde auch bei uns in Europa, wenigstens für Privatzwecke, eine eminent grosse Bedeutung und Anwendung gefunden haben, hätte man der Dressur der Tauben mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Die Dressur zum Zurückfliegen bei Wettflügen ist nur als ein Anfang zum Postendienst zu betrachten. Durch die Erfindung der Telegraphen und Telephone sind die Tauben als Boten nun freilich entbehrlich geworden. Wie die Orientalen die Tauben zum praktischen Dienste verwendeten, so pflegten und dressierten sie solche nicht minder zur Unterhaltung und es war ein förmlicher Wetteifer, sie auf einen hohen Grad der Kultur zu bringen, bei dem sich sogar Fürsten betheiligten. Die Taube war so recht der Vogel, der dem Gemüthe des ernsten, in beschaulicher Ruhe dasitzenden Orientalen entsprach. Ihre Lebendigkeit, ihre Fluggewandtheit ergötzte ihn, da man ja gerne an solchen Gefallen findet, was Einem selbst abgeht. Wie die Modena die Tauben mit einer Fahne aufgejagt werden und dann den Schwenkungen derselben folgen, so bringt es der Orientale dazu, dass, während er noch seines Volkes Sitte, mit untergeschlagenen Beine am Boden sitzt, ein Schwarm Tauben in der Höhe ihren Flug genau nach den Bewegungen des Hölzchens richtet, das er in den Händen hat. Alle unsere Tümmler und Purzler, sowie die Rassentauben im Allgemeinen sind asiatischen Ursprungs. Der Orientale brachte es nicht bloss dazu, dass Tauben in der Luft purzeln, sondern auch auf dem Boden, welches Spiel auch mit Hühner getrieben wird. Ein sprechendes Zeugniss von der hohen Kultur der Taubenzucht in Asien zeigt uns der orientalischer Roller = Tümmler, welcher ein Meister im Flug ist, bis zu schwindelnder Höhe emporsteigt und dann rollend über-schlagend in rasender Eile in den Schlag zurückkehrt. Gibt man einem Trupp Tümmler einige Paare dieser Roller bei, so erheben sich diese vom Trupp, um noch bedeutend höher zu steigen, pfeilschnell wieder auf den Trupp herunter zuschiessen und dann folglich wieder zu steigen. So wird dieses interessante Auf und Niederfliegen, verbunden mit Ueberschlagen, so lange wiederholt, bis der Schwarm ermüdet in den Schlag zurückkehrt. Dieser Roller besitzte in seinem Aussehen die Eigenthümlichkeit, dass er den Körper des englischen Almonds mit dem Schnabel des langschnäbligen Tümmlers verbindet. Der Schwanz besteht aus 16 – 24 übereinanderliegenden Federn, von denen die zwei mittleren etwas nach aufwärts gerichtet sind, wodurch der Schwanz getheilt erscheint. Der Kopf erscheint ziemlich gestreckt, mit flacher Stirne und langem, geradem und kräftigem Schnabel, der weiss ist. Diese Taube bietet manches Eigenthümliche in ihrer Erscheinung; die Flügel hängen lose herab, während der Schwanz etwas erhöht getragen wird. Die Färbung ist sehr verschieden. Von einer umständlichen Beschreibung können wir Umgang nehmen, da dieser orientalische Roller selten und bei uns gar nicht vorkommt. Der Bericht wurde von der Sütterlinschrift in die Lateinische Schrift um-geschrieben. Orientalische Rollertauben Heute gehört der Orientalische Roller mit zu einer der beliebtesten Taubenrassen. Es gibt wohl keine Tauben- oder Geflügelschau wo nicht mindestens einige dieser schönen Rassetauben gezeigt werden. Auf den Groß- und Sonderschauen können es auch mal einige hundert sein. Ihre Beliebtheit haben die Orientalischen Rollertauben nicht zuletzt ihrer einfachen und bescheidenen Art zu verdanken. Die Rasse ist in der Aufzucht ihrer Jungen problemlos und es lassen sich in einer Zuchtsaison von einem Paar leicht 8 bis 10 und mehr Jungtauben aufziehen. Die heute auf den Ausstellungen gezeigten Orientalen haben sich äußerlich stark, von den einstigen aus dem Orient importierten Tauben, verändert. Sie wurden hier in Europa und dabei überwiegend in Deutschland, zu der heutigen schönen Rassetaube gezüchtet. Geblieben ist dabei natürlich ihr Hauptrassemerkmal , der aufrecht getragene Schwanz und die darunter gehaltenen Schwingen. Von den Züchtern als Amselstellung bezeichnet. Heute präsentiert sich dieser Roller als, mittelgroßer Tümmler mit einem festen und breiten Schwanz, einen wunderschön gerundeten Kopf, einem feinen Wachsschnabel, sowie herrliche Perlaugen. Dieser Orientalische Roller ist in unzähligen verschiedenen Farbenschlägen anerkannt, und nicht nur dadurch so beliebt geworden. Er wird in fast allen bekannten Taubenfarben gezüchtet. Dabei sind auch einige besonders schöne Farbenschläge die früher überwiegend nur bei den Orientalischen Rollern zu finden waren. Zum Beispiel die Vielfarbigen auch als Almond bezeichnet. Oder die gesprenkelten Tauben in schwarzsprenkel oder silbersprenkel. Solche Tauben sind einfach wunderschön anzusehen. Aber auch ein einfarbiges Tier, z.B. in Schwarz, sieht herrlich aus, wenn das Gefieder im Sonnenlicht glanzvoll in vielen Farben schimmert. Fast alle Taubenrassen die früher erstklassige Flugtauben waren, und irgendwann durch die Züchter zu reinen Ausstellungs- und Volierentauben umgezüchtet geworden sind, haben ihre fliegerischen Eigenschaften verloren. Dieses Schicksal ist dem Orientalischen Roller zum Glück erspart geblieben. Von den auf den Taubenschauen gezeigten Orientalen kann man sicher keine so großartigen fliegerischen Leistungen erwarten, aber im Freiflug gehalten zeigen auch sie immer noch fliegerisches Können. Aber es hat immer Taubenzüchter gegeben die diesen tollen Flugkünstler nur auf Grund seiner großartigen Roll- und Flugleistungen gezüchtet und gehalten haben. Der Orientalische Roller ist sicher dabei einer der besten und vielseitigen Rollertaube überhaupt. Er zeigt während seines Fluges viele verschiedene Flugfiguren. Aber genau betrachtet ist der Orientroller nicht nur ein guter Roller sondern auch ein erstklassiger Hochflieger. Als diese Taubenrasse um ca. 1870 erstmals aus dem Orient zu uns importiert wurde, waren die damaligen Taubenzüchter doch ziemlich erstaunt über das eigenartige Flugverhalten dieser „Orientalen“. Tauben, die sich während des Fluges ein oder zweimal überschlagen, das so genannte Purzeln kannte man schon, aber Tauben die sich mehrfach überschlagen und dabei vom Himmel abrollen, und das auch mehrere Meter tief war neu. Das Überschlagen und Abrollen während des Fluges hat natürlich nichts mit irgendeiner Dressur zu tun, sondern es ist den Tauben angeboren. Es steckt in ihren Genen. Ständige Zucht und Auslese auf dieses Merkmal hin haben dieses Rollen noch verstärkt und immer besser und vielseitiger werden lassen. Durch ständiges und regelmäßiges Flugtraining werden diese Tauben immer mehr zu diesem Rollen und Fliegen angeregt. Es gibt, glaube ich, keine Roller-taubenrasse die so viele unterschiedliche Flugfiguren zeigt wie der Orien-talische Roller. Er kann purzeln, rollen, seitwärtsrollen, kreiseln und auch stürzen. Beim Rollvorgang während des Fluges zieht die Taube den Kopf nach hinten zum Schwanz und rollt dann über diesen sich drehend und überschlagend ab. Wird dieser Vorgang ein oder zweimal durchgeführt spricht man von einem Purzeln. Überschlägt sich die Taube dabei mehrfach und verliert dabei an Höhe, spricht man von Rollüberschlägen. Es können drei, vier und mehr Überschläge sein und die Taube kann dabei auch mehrere Meter herabrollen, um danach wieder aufzusteigen. Dieser Roller kann aber auch seitlich über den Flügel abrollen. Oder er dreht sich Kreiselnd um die eigene Achse, dem so genannten Mühledrehen. Einige Roller stürzen sich dabei mit angezogenen Flügeln um sich selbst drehend herab. Die besten unter ihnen rollen dabei nicht nur nach hinten mehrfach ab, sondern lassen noch einige schnelle Mühlen folgen. Ihre Flugfiguren sind dabei sehr variantenreich und manchmal in der schnelle gar nicht genau zu erkennen. Da die Flugbilder jedes einzelnen Tieres schon recht unterschiedlich sind, so ist das ständige auf und ab, kippen ,wenden und drehen erst in einem Flugstich mit mehreren Tauben ein großartiges Erlebnis. Dieses ständige Auf- und Abwirbeln aller Tauben ist einfach unglaublich. Mann muss es gesehen haben. Auch bei dem Orientalischen Roller, der rein nur auf Grund seiner Flugeigenschaft gezüchtet wird, haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Zuchtlinien gebildet. In einigen Linien werden noch Tauben geflogen die noch erstklassige Hochflieger sind. Dabei steigen die Tauben sehr schnell bis in die obere Flughöhe, um dann auch mal für eine gewisse Zeit, unsichtbar zu verschwinden. Es wurden schon Flugzeiten von weit über sechs Stunden dabei erreicht! Man kann hier natürlich nicht erwarten das die Tauben dabei auch noch laufend rollen. Trotzdem zeigt der Orientalische Roller auch hier sein großes Können, mit gutem nach hinten Abrollen, dem Mühle drehen, dem Kippen , Wenden und Drehen. In anderen Zuchten werden die Orient-Roller für Flugwettbewerbe gezüchtet und geflogen. Hier steigen die Roller meistens bis in die untere mittlere Höhe, um hier sehr gut im Stich zu fliegen In dieser Höhe kann man die einzelnen Flugfiguren sehr gut sehen, und es ist einfach spannend zu sehen, wenn die Roller hier fast gleichzeitig ständig rollen. Dabei rollen die Tauben dann fast pausenlos! Sie rollen dabei nicht nur nach hinten mehrfach ab, sondern lassen noch einige schnelle Mühlen folgen. Ihre Flugfiguren sind dabei sehr variantenreich und in dieser Höhe gut zu sehen. Meist fliegen und rollen die Tauben um die halbe bis eine Stunde. Beim Wettfliegen werden dabei nur drei Tauben gestartet, und während der Flugzeit von einer Stunde werden die Rollvorgänge dieser Tauben gezählt. Gute Stiche erreichen dabei oftmals schon mehr wie 500 Überschläge. Das ist schon eine großartige Leistung dieser Rollertauben. Der Altmeister der Züchter des Orientalischen Rollers, Peter Freisberg, beschrieb die Roll- und Flugleistung schon 1939 als außergewöhnlich, und nannte ihn auf Grund seiner vielseitigen und einzigartigen Flugfiguren damals, den König unter der Rollertauben.
Walter Stettler CH Binningen www.flugtippler.ch |