Taubendung In unserer Familie wurde jedem Kind eine Arbeit zugeteilt für deren Erledigung es
verantwortlich war. Ich als Jüngster war für den Hühnerstall und den Taubenschlag
zuständig, und so gehörte es zu meinen Aufgaben, jeden Mittwoch den Hühnerstall
und den Taubenschlag zu reinigen. Mein Vater erklärte mir, dass der Mist von den
Hühnern und Tauben nicht auf den Misthaufen gebracht werden dürfe, weil er zu
wertvoll sei; die Mutter könne ihn gut im Gemüsegarten gebrauchen. Ich befolgte
natürlich die Anordnung, machte mir aber weiter keine Gedanken darüber.
Für mich war damals Mist eben einfach Mist. Einige Jahre später habe ich mich
aus beruflichen Gründen mehr mit dem Mist befasst und da wurde mir klar, was
"zu wertvoll" meinte.
Schon die alten Ägypter kannten den hohen Wert des Taubenmistes. Wenn sie Reben pflanzten, füllten sie das Pflanzenloch mit einem Gemisch aus Nilschlamm und Taubenkot. Bei den wasserhaltigen Früchten soll der Taubendung einen würzigen Geschmack geben und bei den blühenden Pflanzen sollen die Farben intensiver sein. In jener Zeit waren Taubentürme wahre Schätze wegen des anfallenden Taubenkotes. In den staatlichen Taubentürmen sollen 5`000 Tauben gelebt haben und in der Oase Faijum soll es sogar bis zu 60`000 gegeben haben. Interessant wird es, wenn man mit diesen Zahlen zu spielen beginnt: Eine Taube frisst im Tag ca. 45 g Futter. 5`000 Tauben fressen im Tag also 225 kg und im Jahr 82`125 kg (82,125 t). Das ergibt eine Füllmenge für ca. 4 Eisenbahnwaggons. 60`000 Tauben fressen im Tag 2`700 kg und im Jahr 985`500 kg (985,5 t) und das ergibt die Füllmenge für ca. 49 Eisenbahnwaggons. Nun frage ich mich, wo bitte fanden die Tauben diese Menge Futter? Laut Literatur in der Umgebung, aber für mich ist das ein Rätsel! Nun wieder zurück zum Mist. Eine Taube produziert im Jahr ca. 3 kg Mist: 12 kg Nasskot, was etwa 3 kg Trockenkot entspricht. 5`000 Tauben produzieren im Jahr ca. 15`000 kg (15 t) und 60`000 Tauben ca. 180`000 kg (180 t) Mist. Da der Taubendung in jener Zeit sehr wertvoll war, wurden bei den großen Taubentürmen nach der Reinigungsarbeit oft die Eingangstüren zugemauert, damit die Misträuber es nicht so einfach hatten, an die begehrte Ware heranzukommen. Die Taubenbehausungen wurden oft außerhalb der Siedlungen gebaut, und so war es für die Mistdiebe leichter, unbemerkt den Taubendung zu entwenden. Taubenkot genoss in allen landwirtschaftlich orientierten Kulturen höchstes Ansehen, weil er den Gärtnern und Bauern ganz einfach einen größeren Ertrag bescherte. Warum ist der Taubenkot so wertvoll? Vergleicht man ihn mit anderem Mist, so fällt auf, dass er nicht nur im Stickstoffgehalt den Rekord hält (1,76 %), sondern auch im Gehalt von Phosphor (1,78 %), Kalium, Magnesium und Kalk. Der Taubenkot hat im Vergleich zu anderem Mist am meisten organische Substanz (3,8 %). Guanodünger ist bei Bio-Gärtnern ein Geheimtipp, aber dass der Taubendung und der Guanodünger gleichwertig sind, wissen die meisten Gärtner nicht. Hier einige Angaben zur Zusammensetzung von Taubenkot: Die wasserlöslichen Bestandteile bestehen aus 935,0 mg/l Na, 831,8 mg/l K, 507,3 mg/ l Ca2, 139,6 mg/l Mg2, 2440,0 mg/l Cl-, 1563,3 mg/l HCO3-, 86,4 mg/l SO42-, 263,6 mg/l PO4-4, 10,0 mg/l NO3- sowie 4,0 % Huminsäuren und 18,7 % Fulvosäuren. Auffällig ist die tiefe Konzentration an Nitrat. Taubenkot reagiert in wässerigem Zustand zuerst neutral (pH 6,5) und nach 100 Stunden leicht sauer (pH 4,5). Taubenmist im Gemüsegarten.
Der Taubenmist kommt in vorkompostiertem Zustand auf
das Gemüsebeet und sollte nur flach in den Boden eingearbeitet werden. So können ihn die Bodenorganismen
besser aufschließen als wenn er tiefer im Boden ist. Bei Lehmböden erhöht er den Lufthaushalt. Noch wertvoller
kann man den Taubenmist machen, wenn man ihn zusammen mit Strohhäcksel oder Laub kompostiert. Taubenmist im Mittelalter.
Im Mittelalter schrieb man vielen
Dingen skurrile Wirkungen zu, so auch dem Taubenmist. Zum Beispiel. So heilte man z. B. die "Beischlafsucht"
(wie man im Mittelalter das Fremdgehen nannte) mit einem Trunk, der aus Öl, Wein und Taubenkot bestand.
Er galt als treffliches Mittel, die Triebe des "Süchtigen" zu zügeln. Na, dann mal Prost! Auch für Abtreibungen
eignete sich der Taubenmist vorzüglich: die schwangere Frau musste nur den Rauch von verbranntem Taubenmist
einatmen, und schon war das Problem gelöst. Taubenkot wurde zur Verbesserung von saurem Bier verwendet
und Brötchen in Taubenkotlauge schmackhafter gemacht. Beliebt war er auch bei den Gerbern, die ihn zum
Gerben des Leders verwendeten. Aus Taubenmist wurde zeitweise sogar Salpeter gewonnen. Unter Salpeter
versteht man verschiede Nitrate, die auch schon oben erwähnt wurden. So wurde Taubenkot wegen seines
Nitratgehaltes im 17. Jahrhundert auch zur Herstellung von Schiesspulver verwendet. Walter Stettler Binningen www.fugtippler.ch
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